Was darf Bushido?
Dieser Text erschien ursprünglich auf derStandard.at.
Der deutsche Rapper will in seinem neuen Song die Grünen-Chefin Claudia Roth erschießen. Über die umstrittene Freiheit der Kunst
Sexismus, Rassismus, Hasstiraden, das sind wir alles schon gewohnt, wenn es um gewisse Ausformungen des Rap geht. Um also flächendeckende Berichterstattung zu gewährleisten, müssen neue Dimensionen her. K.I.Z. versuchten es jüngst mit ihrem Song “Ich bin Adolf Hitler”, so richtig schockierte das aber auch niemanden.
Bushido ging das Ganze schon gefinkelter an und hatte in Sachen Aufregerproduktion mehr Erfolg: Sein neuer Track “Stress ohne Grund” wurde innerhalb von zwei Tagen auf Youtube 1,2 Millionen Mal angesehen, bevor er gesperrt wurde und die Politiker Klaus Wowereit und Serkan Tören Strafanzeige gegen ihn erstatteten. Und zwar wegen der Strophe, in der Bushido den TV-Moderator Oliver Pocher körperlich angreift, er sich wünscht, dass Serkan Tören stirbt, und die deutsche Grünen-Chefin Claudia Roth erschießt.
Ob der Stil Bushidos nun künstlerisch wertvoll ist oder nicht, darf an anderer Stelle diskutiert werden. Die Frage, an der sich die Geister scheiden, lautet nun: “Darf Bushido das überhaupt, und ist das noch Kunst?”
Bushido, der neue Schlingensief?
Dass auf einer Bühne der Tod eines aktiven Politikers geschildert wurde, regte schon im Jahr 2000 auf, als im Grazer Schauspielhaus in Schlingensiefs Inszenierung “Schnitzler’s Brain” auf der Bühne “Tötet Wolfgang Schüssel” skandiert wurde. Damals ging der Streit zugunsten des Künstlers aus, Schlingensief produzierte bis zu seinem Tod 2010 noch zahlreiche weitere Skandale und gilt heute gemeinhin als einer der wichtigsten Künstler im deutschsprachigen Raum.
Kontext is king?
Kann der zweifelhafte deutsche Gangsta-Rapper Bushido nun mit dem in der Hochkultur verorteten Wagner-Inszenierer Schlingensief gleichgesetzt werden? Hier kommt das Argument der Rezeption ins Spiel: Im Grazer Schauspielhaus versteht doch wohl jeder, dass ein Mordaufruf nicht ernst gemeint ist, die Bushido-hörende Deutschrap-Jugend sieht das sicher anders, könnte man meinen. Hier wird aber übersehen, dass gerade im Gangsta-Rap eine vor Brutalität strotzende Fantasiewelt zentral und Teil des “Spiels” ist. Das verstehen meist auch die zwölfjährigen HörerInnen, die sich womöglich am Tabubruch erfreuen und die brutale Fiktion als Ventil sehen – wie etwa das Konsumieren eines Quentin-Tarantino-Films.
Autor vs. Kunstfigur
Wenn also auf einer Theaterbühne zum Mord aufgerufen werden kann, in Computerspielen George W. Bush mit Schuhen beworfen und getötet werden kann, sollten demnach die Klage gegen Bushido keine Chance haben. Hier wird wohl die entscheidende Frage sein, ob Bushido eine Kunstfigur ist und inwiefern sie von Anis Mohamed Youssef Ferchichi (Bushidos bürgerlicher Name) zu trennen ist. Wie der Künstler im “ZiB 24″-Interview es selbst wortgewandt formuliert: Als Privatperson lehne er jede Form von Gewalt ab.
Gefahr des Missbrauchs eindämmen
Demnach könnte unter dem Deckmantel der Freiheit der Kunst jede extremistische Gruppe fröhlich ihre Ansichten in Form von Theaterstücken, Installationen, Spielfilmen, Games und Songs verbreiten. Dem entgegenzuwirken wurden Einrichtungen wie die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ins Leben gerufen, die entscheiden sollen, was erlaubt sein soll und was nicht. Weiters wird zu klären sein, ob das Recht der Kunstfreiheit von Bushido dem Recht der Ehre der Betroffenen, in dem Fall der Klagenden, voranzustellen ist.
Wie die Bundesprüfstelle und das Gericht auf die Klage Wowereits und Törens reagieren werden, wird eine der spannendsten Entscheidungen dieser Tage sein. Diese wird sowohl die Rolle des Kontexts in der Kunst als auch die Unterscheidung zwischen E und U widerspiegeln. (Lisa Stadler, derStandard.at, 16.7.2013)