Die historische Sperre von Trump auf sozialen Netzwerken wird uns noch länger beschäftigen.

Donald Trumps Smartphone ist auch nicht mehr das, was es mal war. Vor wenigen Tagen noch konnte der Gerade-noch-Präsident mit nur einem Klick auf “Send” hunderte Millionen UserInnen in sozialen Netzwerken erreichen, und das quasi ungefiltert. Twitter hatte zwar schon begonnen, einzelne Tweets als “umstrittene” Inhalte zu kennzeichnen oder zu entfernen, der Sturm aufs Kapitol hat dann endgültig zum Umdenken geführt. Seine Accounts wurden nun also ganz gesperrt. Der Grund? Die Plattformen geben unisono an, dass Gewaltverherrlichung gegen ihre Nutzungsbestimmungen verstößt, hier als Beispiel das offizielle Statement von Twitter. Nach rund 56.000 Tweets und zigtausenden anderen Posts ist Sense. In diesem Text konzentriere ich mich inhaltlich auf Twitter, weil es für Trump das größte Sprachrohr war und beim Sperren Vorreiter war, bevor andere Plattformen nachzogen. Insgesamt sind die Aktionen aber viel weitreichender.

Deplatforming, wie das selektive Sperren von Social-Media-Auftritten auch genannt wird, ist an sich nichts Neues. In Österreich etwa wurden bereits Accounts der Identitären deaktiviert. Donald Trump ist aber ein anderes Kaliber und deshalb gehen die Wogen besonders hoch.

Aus meiner Sicht drängen sich zwei große Fragen auf:

1) Warum jetzt? 

Es fragen sich viele, warum Trump erst jetzt gesperrt wurde und nicht etwa schon vor Jahren. Genau das ist eine gute Frage: Denn Trump ist ja nicht binnen weniger Tage zum Aufrührer mutiert. “That escalated steadily over four years” postete Ed Stern und bekam dafür über eine Million Likes. Zugegeben, als er 2009 zu twittern begann, nutzte Trump die Plattform hauptsächlich, um sein Buch oder Fernsehauftritte zu bewerben, sehr bald jedoch gesellten sich Verschwörungstheorien und Beschimpfungen dazu.

Lange Jahre war Trump eines der größten “Testimonials” für Twitter und der Kurznachrichtendienst profitierte mit tagtäglicher Medienpräsenz, die sicherlich auch zahlreiche NutzerInnen anzog. PolitikjournalistInnen konnten es sich kaum erlauben, Trumps Tweets nicht zu verfolgen – zu groß die Gefahr, den nächsten Coup zu verpassen. Trumps polarisierende Posts waren wie gemacht für die Algorithmen der Plattformen. Seine regelmäßigen “Ausrutscher”, also Verstöße gegen die Plattformrichtlinien, wurden lange hingenommen, immerhin handelte es sich ja um den Präsidenten. Jeder andere User wäre schon längst gesperrt worden, und das obwohl die Meinungsfreiheit in den USA kulturell besonders groß geschrieben wird.

Aber wann ist genug? Offensichtlich erst, wenn ein Sturm aufs Kapitol stattfindet und weitere Statements von Trump die öffentliche Sicherheit gefährden können.

Dass Trump nun sein Online-Publikum entzogen wird, ist eine drastische Maßnahme, mit der sich die Plattformen sicher auch ihr ramponiertes Image aufpolieren wollen. An Trump wird ein Exempel statuiert: Schaut her, wir sperren sogar den Präsidenten, wenn er gegen unsere Richtlinien verstößt. Diese Aktion kann jedoch wohl kaum jahrelanges Wegschauen und Nichtstun wieder gutmachen. Und ihn erst jetzt zu sperren ist ein bequemer Weg, als Plattform möglichst wenig Schaden zu nehmen, da man ja jahrelang performancemäßig von Trump profitiert hat.

Bemerkenswert an der Sperre von Trump ist auf jeden Fall der “improvisationshafte Charakter”, wie es Kevin Roose in der New York Times sehr schön beschreibt. Gerne wäre ich dieser Tage eine Fliege in den Twitter-Meetings gewesen, denn es wurden binnen Tagen Entscheidungen getroffen, die es in dieser Größenordnung noch nie gegeben hat. Ich vermute, dass in den nächsten Monaten und Jahren herauskommen wird, dass hier Bauchgefühl auch Willkür große Rollen gespielt haben. Twitter ist sich selbst über den Kopf gewachsen. Die Verbannung Trumps soll die zurückgewonnene Kontrolle signalisieren. In Wirklichkeit zeigt sie aber auch Hilflosigkeit, ein wenig wie bei überforderten LehrerInnen, die unflätige Kinder aus der Klasse schicken. Aus den Augen, aus dem Sinn.

2) Bringt das Ganze was?

Eine der größten Fragen rund um die Sperre ist, ob sie zielführend ist. Längst gibt es speziell für Rechtsextreme mehrere Ausweichplattformen wie Gab oder Parler. Diese sind zwar nicht so groß wie Twitter, Facebook oder Instagram, dafür exklusiver und auch für die Exekutive schwerer zugänglich. Und sogar Parler geht es jetzt an den Kragen. Kleineren extremistischen Stimmen kann so wohl tatsächlich Einflussnahme genommen werden, bei Trump ist das allerdings diskussionswürdig, wie mein Kollege Andreas Proschofsky hier ausgeführt hat. Im Detail wissen wir das noch nicht so genau. Die Auswirkungen von großflächigen Deplatforming-Aktionen werden in den nächsten Monaten und Jahren sicherlich eine der interessantesten Social-Media-Themen sein.

Vergessen sollten wir alle aber auch nicht, dass bei der ganzen Diskussion über die “Übermacht” der sozialen Netzwerke, die in gewissen Bereichen sicherlich ein Riesen-Problem darstellt, immer noch die größte Mehrheit der BürgerInnen gar nicht auf Twitter aktiv ist. Nicht in den USA, und schon gar nicht in Österreich. Die Summe der Auftritte in sozialen Netzwerken und das Wirken von Einzelnen “Influencern” in die Offline-Welt ist aber sicher eine Zutat für möglichen Extremismus. Es ist also kompliziert und Deplatforming allein wird nicht die Lösung sein. In diesem Sinne: Covfefe.

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  • January 11, 2021
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Nach der Diskussion mit Sigi Maurer ging unser medienrechtliches Diskussionformat in die nächste Runde.

Das Gesetzespaket zu Hass im Netz hat vor kurzem den Bundesrat passiert, noch am gleichen Tag kam Kritik von der EU-Kommission, die Teile davon für nicht EU-rechtskonform hält. Was kommt da auf die UserInnen und die Plattformen zu? Die Diskussion mit Bundesministerin Karoline Edtstadler zum Nachschauen gibt es hier.

Stadler Völkel

Foto: Stadler Völkel Rechtsanwälte

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  • January 5, 2021

DER STANDARD startet gemeinsam mit Stadler Völkel Rechtsanwälte (nicht verwandt ;-)) und Eva Hammertinger Legal & Strategy Consulting die Talk-Reihe #rooftop.talk. Rund 1 x im Monat werden wir aktuelle (Medien)rechtliche Themen diskutieren, ich werde immer moderieren. Den Anfang macht der höchst interessante Fall Sigi Maurer.

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Den Link zur Vorankündigung, wo man im Forum Fragen posten kann, gibt es hier. In diesem Artikel wird auch das Live-Video eingebettet sein.

Eckpunkte: 16. September 2020, 17:30 Uhr Live-Videodiskussion zu “Hass im Netz – der Anlassfall Sigi Maurer”

Es diskutieren:

  • Sigrid Maurer, Abgeordnete zum Nationalrat, Klubobfrau der Grünen
  • Eva Hammertinger, Medienanwältin
  • Arthur Stadler, Rechtsanwalt und Gründungspartner von Stadler Völkel Rechtsanwälte
  • Lisa Stadler, Social-Media-Managerin DER STANDARD
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  • September 14, 2020
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“Wie werden soziale Medien die parlamentarische Demokratie begleiten und herausfordern?” Mit dieser Frage lud Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zur Podiumsdiskussion im Rahmen der Gedenkveranstaltung zum Ende der parlamentarischen Demokratie 1933. Zuvor hielt Magdalena Pöschl einen Vortrag zur Rolle der sozialen Medien in der Demokratie.

Gedenkveranstaltung zum Ende der parlamentarischen Demokratie 1933

(Foto: Eröffnungsrede von Wolfgang Sobotka, Fotograf: Topf, parlament.gv.at)

Hier ein Auszug aus der Parlamentskorrespondenz vom 4.3.2020:

“Pöschl: Demokratie braucht einen öffentlichen Raum

Magdalena Pöschl, Professorin am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, verwies in ihrer Keynote “Soziale Medien in der Demokratie: Gift oder Arznei?” auf die Bedeutung sozialer Medien im politischen Kontext. Demokratie brauche abseits von Wahlzellen und Parlamenten auch einen öffentlichen Raum, wie etwa Marktplätze, die integrativ wirken und die Lebenswelten der Menschen verbinden. Die Digitalisierung löste durch die unbegrenzte Information und durch offene Räume eine Euphorie aus. Aber es fehlen die Regeln. So würden sich auch Falsch- und Hassnachrichten auf privaten Plattformen tummeln, die selbst entscheiden, was gelöscht wird und was nicht. Auch durch Echokammern werde der Diskurs geschwächt. Für Pöschl gibt es aber auch positive Seiten digitaler Kommunikation, wie das Beispiel von “Fridays for Future” gezeigt hat. Sie kommt daher zum Schluss: “Von Hass gereinigt, können soziale Medien die Demokratie auch stärken.”

Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen

In der anschließenden Podiumsdiskussion unter der Moderation von ORF-Journalistin Nadja Mader ging es unter anderem um die Frage, ob die Pflicht zu Klarnamen in Diskussionsforen etwas bewirken könnte. Lisa Stadler, Social-Media-Managerin und seit acht Jahren bei der Standard.at, bezweifelt das stark, vermutlich würde es nur vorübergehend zu einer Verbesserung der Diskussionskultur kommen. Ein wesentlicher Punkt ist für sie die Vermittlung von Medienkompetenz an Schulen, hier sieht sie zum Teil noch beträchtliche Defizite.

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(Foto: Screenshot)

Auch Richard Schmitt, Chefredakteur von oe24.at und oe24-TV, hält es für wesentlich, jungen Menschen beizubringen, wie man Fakes, Manipulationen und Echokammern erkennen kann. Er staune immer wieder über das Argument, “das ist auf Facebook gestanden”. Zudem sieht er die Politik in der Verantwortung, was Selbstkontrolle betrifft: Auf den Plattformen seien auch viele von den Parteien beauftragte “Cheerleader” unterwegs, um als Meinungsmacher “einzuheizen”. Unverständlich ist für Schmitt auch, dass für Plattform-Betreiber, anders als für Medienhäuser, keine Regeln gelten.

Gerald Heidegger, Leiter der Redaktion von ORF.at, warb für einen gemeinsamen “Player” für Inhalte heimischer Medien als Gegengewicht zu den internationalen Internetgiganten. Das müsse kein Plattform, sondern könne auch ein Modul sein, über das man verschiedene Informationsangebote, z.B. zum Coronavirus, erreichen könne. Dazu brauche es ein neues ORF- und Mediengesetz.”

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(Foto: Screenshot)

Link: Die Diskussion zum Nachschauen in der Mediathek.

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  • March 6, 2020
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Schon vor ETEPETETE hatten wir Freude am gemeinsamen Tun. Deshalb hoben wir vor 19 Jahren die Hände, als es von der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus die Einladung gab, an einem außerschulischen Forschungsprojekt mitzuwirken. Das Projekt „Der Koffer der Adele Kurzweil“ wurde zu einem Buch und zu einer Ausstellung, durch die wir selbst führten. Erinnerungen, Freundschaften und die Gewissheit, dass wir gestalten, bewirken und verändern können: Das haben wir gelernt.

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Vorige Woche war es uns eine große Freude, musikalisch dabei mitzuwirken, wie Schülerinnen und Schüler aus 17 Schulen dafür geehrt wurden, dass sie am Projekt „Schule ohne Rassismus“ teilnahmen. Danke liebe ARGE, eure Arbeit ist so wichtig. Und danke auch, dass ihr uns zu Botschafterinnen für Menschenrechte und Demokratie ausgezeichnet habt. (Fotos: Nicholas Martin)

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  • June 29, 2019
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Nun ist es also doch soweit: Seit wir beim STANDARD 2014 begonnen haben, mit den UserInnen per WhatsApp in Kontakt zu treten, war klar, dass WhatsApp die Newsletter-Funktion jederzeit beenden kann. Ein paar Jährchen später, nachdem wir mit viel Liebe zum Detail zigtausende UserInnen versammelt hatten, wurde ein Enddatum für den erlaubten Massenversand per WhatsApp bekanntgegeben: der siebente Dezember 2019.

Was kommt?

Zusätzlich zur „Newsletter“ Funktion (mit Ablaufdatum) gibt es bereits parallel die WhatsApp Business API. KundInnen können mit Unternehmen aktiv in Kontakt treten, dann hat man als Firma ein 24-Stunden-Fenster zur Verfügung, das es einem erlaubt, Messages zu schicken. Kern der Änderung: Von Push zu Pull.

Der Hintergedanke dabei ist aus der Sicht von WhatsApp nachvollziehbar: Spam-Versand ist nicht mehr möglich, sondern der Fokus liegt auf qualitativer One-to-one-Kommunikation.

Was sind nun die Konsequenzen für Medienunternehmen?

Kurz gesagt: Grund zur Freude besteht wirklich keiner. Obwohl im Marketingsprech von WhatsApp behauptet wird, nun auf „Klasse statt Masse“ zu setzen, werden wir in Zukunft einfach viel schwieriger per WhatsApp UserInnen erreichen können. Es wurde meiner Ansicht nach der Vorteil der Newsletter-Funktion für UserInnen von Nachrichtenmedien wirklich vernachlässigt. Es handelt sich dabei ja nicht um irgendeinen Gewinnspiel-Spam vom Supermarkt nebenan oder so, sondern um Nachrichten, die die UserInnen wirklich wollen. Medien waren damit glücklich, die UserInnen waren damit glücklich, Drittanbieter wie MessengerPeople waren damit glücklich, nur WhatsApp selbst eben nicht.

Reichweitenverluste

Da UserInnen selbst Infos anfordern müssen und sich vermutlich auch neu anmelden müssen, ist von massiven Verlusten an Reichweite auszugehen. Kaum jemand denkt von selbst daran, sich per WhatsApp die News zu holen. Sie waren einfach da, dann konnte man bei Interesse reinlesen oder auch nicht. Und wenn die Nachrichten nicht mehr von selbst kommen, dann sind sie eben weg.

Wer zahlt, schafft an

Die heiß begehrte Ware bei WhatsApp sind also die Push-Notifications. Diese wird es weiterhin geben, aber nur in abgespeckter Form. KundInnen müssen WhatsApp Vorlagen zur Freigabe schicken und danach wird man pro Versand ordentlich zur Kasse gebeten. Für Airlines, Mobilfunker, Banken oder andere Dienstleister eine durchaus gute Lösung. Für Medien, die individuell News verschicken wollen, nicht. Ganz abgesehen von meist geringen Budgets für solche Aktionen.

Alternativen vorhanden, aber eher mau

Wer Menschen unter 30 ansprechen will, dem bieten sich nur äußerst unattraktive Alternativen: Newsletter (haha), SMS (haha), eigene App mit Push-Notifications (bruhaha), Facebook Messenger (haha), Telegram (haha), alle anderen Social Networks (haha), Kommunikation per Pull über die WhatsApp Business API (mal sehen, aber ich sag mal: haha). Wer Menschen über 30 ansprechen will, wird wohl ein paar UserInnen in andere Kanäle rüberretten können.

Next steps

Aber Jammern hilft nix. Denn: Wer sich auf das Spiel mit den Plattformen einlässt, muss sich bis zu einem gewissen Grad eben auch mit deren Macht und Willkür abfinden. Der Job als Social Media Manager besteht ja im Grunde auch zu einem großen Teil daraus, sich Gedanken zu machen, wie man mit den Regeln der Plattformen umgeht. Und nun ist eben wieder so ein Fall gekommen. Die nächsten Monate werden sich alle Medienunternehmen, die noch die  WhatsApp-Newsletter-Funktion nutzen, die gleichen Fragen stellen. Seien wir gespannt auf die Lösungen.

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  • June 15, 2019
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Problemfall Facebook: Zuerst wurde der Plattform die Missgunst der Medien zuteil, weil der Algorithmus für den Newsfeed nun Posts von Freunden priorisiert und jene von Seiten (Marken, (Medien)Unternehmen oder Personen öffentlichen Interesses) benachteiligt.  Und nun werden immer mehr Details darüber öffentlich, wie Drittanbieter bis 2014 mit den Daten von Facebook umgehen konnten, ohne dass die User ausreichend darüber informiert waren. Im Zentrum dieser Kritik steht das Unternehmen Cambridge Analytica sowie dessen Tochter SCL, denen vorgeworfen wird, mit den gesammelten Daten sogar Wahlen beeinflusst zu haben. Aber wie weitreichend ist der Skandal wirklich? Ein Überblick über den Status Quo:

Was wir über die Datenverarbeitung von Cambridge Analytica wissen

Christopher Wylie ist der Whistleblower der Stunde. Er arbeitete für Cambridge Analytica und ging vor kurzem an die Öffentlichkeit, um den Userinnen und Usern bewusst zu machen, was mit ihren Facebook-Daten passieren konnte. Von 2007 bis 2014 gab es in der Facebook-API (also der Schnittstelle, die externe Entwickler nützen können) eine Funktion namens „friends permission“. Wenn man eine App wie etwa ein Quiz oder FarmVille benutzte, wurde man dazu aufgefordert, eine oder mehrere Erlaubnisse zu geben: Die App durfte damit über Facebook nicht nur auf Informationen der eigenen Profile, sondern auch auf gewisse Informationen von FreundInnen zugreifen, darunter zum Beispiel deren Profilbild, ihren Namen oder auch, welche Seiten diese geliket haben. Wylie behauptet auch, dass teils sogar der Zugriff auf private Nachrichten durch Apps möglich war, das ist meiner Erinnerung nach aber nur kurz möglich gewesen und nur mit einer eigenen extra Erlaubnis. Mit diesen „friends permissions“ konnten App Entwickler jedenfalls eine Menge Daten sammeln.

Eine verhängnisvolle Quiz-App

Aleksandr Kogan entwickelte für Cambridge Analytica eine besonders perfide App: thisismydigitallife war ein Persönlichkeits-Quiz, bei dem 270.000 UserInnen teilnahmen. Diese gaben so ihr Persönlichkeitsprofil (Hang zu Extrovertiertheit oder Introvertiertheit, zu Neurotizismus, etc.) an das Unternehmen weiter und verknüpft mit der Info von ihrem Facebook-Profil sowie den Netzwerk-Daten ihrer Freunde ergab das eine sehr interessante Mischung für wahlwerbende Parteien oder Politiker. Cambridge Analytica bot den Kunden an, maßgeschneiderte Messages ausspielen zu können, und zwar auf Basis genau dieser Daten, die die User bereit stellten.

Wo ist das Problem?

Das Problem ist, dass die UserInnen keine Ahnung davon hatten, wofür ihre Daten verwendet wurden. Sie gaben zwar explizit die Erlaubnis der Verarbeitung, das Ziel der Verarbeitung war aber nicht bekannt. Insbesondere wird kritisiert, dass die Freunde der User keine explizite Erlaubnis dafür gaben, dass ihre Daten in diverse Apps einfließen. Das ist ein interessanter Streitpunkt, da es sich bei diesen Daten von Freunden wohl meist um öffentliche Daten handelt, also Name, Profilbild, Likes und Freunde (falls diese auf „öffentlich“ gestellt sind) und von jedermann einsehbar waren. Um genau nachvollziehen zu können, auf welche Daten der Freunde der App-Nutzer zugegriffen wurde, müssten detaillierte historische Recherchen über die Facebook-API angestellt werden, was sich zum Teil als schwierig herausstellen könnte.

Der rechtliche Knackpunkt ist aus europäischer Sicht das Speichern der Daten außerhalb von Facebook sowie die kommerzielle Weitergabe an Dritte – im Fall von Cambridge Analytica das Verkaufen der Daten für Werbezwecke in Wahlkämpfen. Das ist das, worauf Christopher Wylie aufmerksam macht, denn die Tatsache, dass Facebook Nutzerdaten für Targeting bereitstellt, ist an sich nichts Neues.

Abgesehen davon erweisen sich Cambridge Analytica sowie deren Tochter SCL durch die aufgedeckten Interviews der Undercover-Journalisten als Unternehmen mit höchst dubiosen Zielen und Vorgangsweisen, die weit über den Missbrauch von Facebook-Daten hinausgehen. So entsteht zurecht ein Nährboden für Angst und weiteren Verschwörungstheorien. Aber bleiben wir mal bei der Verbindung von Cambridge Analytica zu Facebook und deren Auswirkung:

Targeting ist nicht per se schlecht

Jeder Werbetreibende, der spezifische Zielgruppen erreichen will, kann über den Werbeanzeigen-Manager von Facebook gezielt einstellen, welche Werbebotschaften von welchen NutzerInnen gesehen werden. Das mag manchen unheimlich sein, ist derzeit aber noch nicht verboten. Ganz im Gegenteil: Gutes Targeting wird in Werbekreisen sogar gelobt. Das Team von Barack Obama etwa erntete noch Lorbeeren dafür, einen besonders maßgeschneiderten Social-Media-Wahlkampf geführt zu haben und die NutzerInnen genau dort abgeholt zu haben, wo sie waren. David Wilkinson, ein Mitarbeiter von Cambridge Analytica, war auf allen möglichen Podien zu Gast, weil er über „tiefgehende, innovative Analyse von Zielgruppen“ Bescheid weiß, mitunter sprach er sogar 2017 in Wien.

UserInnen beweisen mit ihrem Nutzerverhalten jeden Tag, dass sie Targeting wollen und als praktisch empfinden. „Warum wird mir Werbung für Parship angezeigt, ich bin doch seit Jahren in einer Beziehung!“ „Warum verfolgt mich diese Couch auf jeder Website, ich habe sie doch schon längst gekauft!“ Sätze wie diese höre ich im Bekanntenkreis immer wieder. NutzerInnen geben auch tagtäglich für convenience gerne Erlaubnis zu diversen Datenverarbeitungen. Whatsapp wird intensiv genutzt, Instagram wächst massiv (beide gehören Facebook, nur zur Erinnerung), aber auch Tinder und Co. sind beliebt – auch mit dem Wissen, dass man dort privateste Vorlieben preisgibt. Bei all dem überwiegt der Mehrwert für die NutzerInnen.

Genau diese Targetingmöglichkeiten werden aber auch zurecht kritisiert: Nachdem der Einfluss Russlands auf die US-Wahl 2016 publik wurde und das Thema Fake News riesig geworden ist, schwingt bei Vielen beim Stichwort Targeting vor allem eines mit: Manipulation. Die UserInnen hinterlässt das ratlos: Medien sollen alle manipulieren, PolitikerInnen sollen alle manipulieren und Facebook soll nun auch alle manipulieren. Wem also noch glauben? Diese Unsicherheit ist eine gute Basis für alle, die Sicherheit versprechen. Aber da wird es kompliziert.

Facebook und Targeting eine Gefahr für die Demokratie?

Womit wir auch schon beim schwerwiegendsten Vorwurf dieser Entwicklungen wären: Algorithmen und Targeting gefährden unsere Demokratie und verschärfen das Filterbubble-Problem, so die KritikerInnen. Diese Diskussion ist auch nicht neu, erfährt durch den Cambridge-Analytica-Skandal einen Aufwind. Denn das Böse an Facebook wird in den technischen Möglichkeiten des Targetings, aber auch in dessen laschen Umgang mit den Daten der UserInnen gesehen. In manchen Medien wird Facebook geradezu dämonisiert, besonders der Boulevard hyperventiliert derzeit recht gerne unreflektiert über die „Gefahr Facebook“. 

Gekränkte Medien schreiben gegen Facebook an

 Nicht selten steckt dahinter wohl eine gekränkte Reaktion auf die jüngste Adaptierung des Newsfeed-Algorithmus und ein Pochen auf das Monopol unter den Meinungsbildnern. So manches Medium wünscht sich wohl die gute, alte Zeit zurück, als die Inserate noch hauptsächlich in der eigenen Tasche landeten und die Meinungsbildung noch großteils über sie stattfand. Da ist die Kritik an selektiven Algorithmen, die man selbst (noch) nicht anbietet, naheliegend. Die Filterbubble-Thematik ist aber nicht schwarz-weiß: Erst jüngst konstatierte eine Oxford-Studie, dass nicht Social Media an der Polarisierung der Gesellschaft schuld habe . Um es mit Ezra Klein zu sagen: “Falls Facebook das Problem ist, wie kann es dann sein, dass dieses Problem (der einseitigen Information; Anm. d. Red.) am deutlichsten bei Menschen auftritt, die Facebook gar nicht nutzen?”

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Gleichzeitig darf die Einflussmöglichkeit der getargeteten Facebook-Botschaften an spezifische Zielgruppen auch nicht verharmlost werden. Nicht umsonst fließt sehr sehr viel Werbebudget tagtäglich in diese Kanäle: Sie sind effektiv. Und ExpertInnen beschäftigen sich sehr wohl damit, wie oft ein Nutzer eine Botschaft sehen muss, damit er seine Meinung ändert. Dass durch Facebook-Targeting alleine aber ein ganzer Wahlkampf gewonnen wird, darf bezweifelt werden, das wäre etwas zu kurz gedacht. Hillary Clinton nutzte zum Beispiel auch gezielte Werbemaßnahmen, Ted Cruz vertraute auf Cambridge Analytica und einige Kunden des Unternehmens beklagen, dass ihre Tools nicht ganz so gut funktionieren, wie behauptet wird. Es ist also eine komplexe Problemstellung, vor der wir stehen, wenn wir über Targeting sprechen.

Was also tun?

 Das letzte Jahrzehnt war wie so oft bei innovativen Entwicklungen von einer kreativen Aufbruchstimmung begleitet. Die Begeisterung seitens der User und der Werbetreibenden für Facebook und seine Möglichkeiten war sicherlich auch von einer gewissen Naivität begleitet, da nehme ich mich selbst und auch einige KollegInnen nicht aus. Jetzt aber, da „der Feind“ auch genau diese Möglichkeiten nutzt und sie vielleicht sogar besser anwendet als „der Freund“, tritt die Ernüchterungsphase ein. Gewonnen hat dieses Mal also der “Falsche”, nämlich Trump. Dabei zitiere ich gern Twitter-User @kariremarks: “2011: yay, social media can disrupt the political order 2017: shit, social media can disrupt the political order“. Wenn es dann noch zu dreisten Verstößen wie bei Cambridge Analytica kommt, ist die heftige Kritik auf jeden Fall berechtigt.

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Wild Wild West adé

 Die Zeit des Wilden Westens geht nun also zu Ende, die Frage ist nur, was danach kommt. Die einen wollen verständlicherweise mehr Regulierung von Plattformen wie Facebook, um diese mehr in die Verantwortung nehmen zu können. Über die Jahre wurde Facebook immer mächtiger und die technischen Möglichkeiten vielfältiger, es ist also höchste Zeit, in rechtlichen Fragen nachzuziehen, um UserInnen zu schützen. Die kommende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ist ein Schritt in diese Richtung. Es wird sich zeigen, wie effektiv diese Bemühungen tatsächlich als Schutz für die UserInnen greifen, derzeit zeichnet sich nämlich ab, dass diese einfach noch mehr Zustimmungen zu Datenverarbeitungen geben werden müssen, die sie am Ende erst recht wieder nicht durchblicken. Diese Regulierungen könnten sogar nach hinten losgehen. Plattformen und Medien können auf die Idee kommen „Ach, holen wir uns gleich noch mehr Einwilligungen der User, sie müssen eh akzeptieren“ und sich so noch mehr Berechtigungen holen.

Media Literacy

 Die oft geforderte Förderung der Media Literacy, also des Verständnisses, wie diese Plattformen und Medien sowie Algorithmen funktionieren, gehört auch zu einem sinnvollen Paket, um Datenmissbrauch vorzubeugen. Wenn wir nicht verstehen, was uns kontrolliert und wie das passiert, können wir dem schlecht entgegenwirken.

 #deletefacebook ist Augenauswischerei

 Facebook zu dämonisieren wird uns jedenfalls nicht weiterbringen. #deletefacebook und andere Aktionen rühren meist von Personen, die sich sowieso schon dort langweilen und keinen Nutzen mehr in der Plattform sehen oder die sich eher oberflächlich mit Aktionismus beschäftigen. Das ist zwar durchaus legitim und den Account zu löschen wird einigen auch Seelenfrieden bescheren. Dennoch würde selbst ein Abwandern der UserInnen von Facebook wohl lediglich das Erstarken eines anderen Netzwerkes oder einer Plattform dienen, die sich ähnlicher Systematiken bedient. Man denke nur an Voice-Lösungen wie Amazon Echo und Co., die derzeit als Megatrend gelten.

Um das Datenmissbrauch zu verhindern, braucht es jedenfalls tiefgehende, langfristige Lösungen. Dahingehend könnten wir durch die Aufdeckungen der Skandale zumindest bei der Bewusstseinsbildung am Anfang einer fundamentalen Änderung stehen. Dabei spielen die einzelnen UserInnen selbst eine große Rolle, denn sie sind es, die wohl das eine oder andere Mal convenience gegen Datenschutz tauschen werden müssen oder Dinge öfter kritisch hinterfragen werden müssen. Gemeinsam mit gesetzlichen Änderungen könnten hier Maßnahmen greifen. Wenn dann auch noch Facebook selbst mehr Verantwortung übernimmt, aktiver in der Kommunikation wird und nicht Tage nach dem Aufkommen von Skandalen beschwichtigende Statements abgibt oder halbherzige Aktionen für mehr Media Literacy einführt, dann wären wir auch einen wesentlichen Schritt weiter.

Was bedeutet das für Medien?

Aus Mediensicht hat insbesondere in Österreich Skepsis gegenüber Facebook und Co. Tradition. Kaum jemand ist bei Instant Articles auf den Trend aufgesprungen, die Einbindung von Trackern wird (zumindest beim STANDARD) nicht leichtfertig gehandhabt (kurze Werbeeinschaltung für “derStandard.at pur” ohne Werbung und Tracking) und es gibt im deutschsprachigen Raum mit Aktionen wie dem Leistungsschutzrecht eine starke Lobby. Tragischkomisch sind diese Skepsis und das Pochen auf Datenschutz mitunter Gründe dafür, warum heimische soziale Netzwerke nie erfolgreich wurden, das kann man in Judith Denkmayrs Analyse gut nachlesen.  Als Distributionskanal ist Facebook aber immer noch ein wesentlicher Bestandteil, um UserInnen zu erreichen und bewusst und kompetent damit umzugehen ist für Medien weiterhin wichtig. Ob das in Zukunft noch auf Facebook passieren wird, ist nicht in Stein gemeißelt, das Wissen um die Funktionalitäten der diversen Plattformen und ein sachliches Handling der externen Traffic-Quellen ist aber unumgänglich.

In Summe müssten also alle Teilhaber an einem Strang ziehen: Plattformen wie Facebook bräuchten den Willen zu mehr Verantwortung und Änderung, die Gesetzgeber müssten wirksame Regulationen (weiter)entwickeln, Medien müssten einerseits kritisch Bericht erstatten und andererseits selbst transparent agieren, Werbetreibende bräuchten ethische Standards, an die sie sich auch halten und UserInnen sollten kritischen Medienkonsum erlernen.

 

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  • March 27, 2018
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Für “Der Österreichische Journalist” beantwortete ich Anfang Februar ein paar Fragen zur Algorithmus-Änderung:

Darf ich Sie fragen, wie Sie die Ankündigung von Mark Zuckerberg einschätzen, Facebook wieder privater werden zu lassen und dafür Postings von Medienunternehmen u.a. im Newsfeed zu benachteiligen?

Auf den ersten Blick ist das natürlich unerfreulich für Medien. Aus der Sicht von Facebook ist eine derartige Änderung aber absolut nachvollziehbar: Für die Plattform ist es oberste Priorität, dass sie für die Nutzerinnen und Nutzer interessant bleibt. Viele waren davon genervt, zu viele irrelevante und langweilige Firmenbotschaften dort zu sehen und kaum mehr Infos von ihren Freunden. Das will Facebook nun ändern. Medien sehen sich einmal mehr damit konfrontiert, den Vorgaben von Facebook ausgeliefert zu sein. Wenn man den Spielregeln von Mark Zuckerberg und Co. nicht folgt, fliegt man raus. Mit langjähriger Erfahrung im Social Media Bereich kann ich aber auch sagen: Panik hilft auch nicht. Diese Änderung ist nicht in Stein gemeißelt und der Algorithmus kann sich in einigen Monaten wieder ändern. Es bleibt abzuwarten und sich strategisch auf Änderungen einzustellen.

Welche Auswirkungen wird das auf die Präsenz von Medien in Facebook Ihrer Meinung nach haben?

Massive, und das merken wir auch jetzt schon. Die Reichweiten sinken tatsächlich. Vor allem „kleinere“ Seite, damit meine ich Pages mit unter 50.000 Fans, haben es besonders schwer. Hier erreicht man oft nur mehr wenige hundert oder tausend Nutzerinnen und Nutzer. Relevante Reichweite kann man nur mehr mit wenigen Posts erlangen. Das führt derzeit zu einer Polarisierung. Facebook handelt hier aber nicht per se „böse“, sondern der Algorithmus spiegelt einfach das Interesse der Userinnen und User wider: Inhalte, die wirklich gelesen werden, schaffen es, mehr Personen zu erreichen. Und das sind dann zur Enttäuschung vieler Medien oft seichtere Geschichten. Diese Enttäuschung resultiert denke ich aber eher aus einer falschen Erwartungshaltung der Medien heraus: Auf Facebook scrollt man generell eher, um sich die Zeit zu vertreiben, und wenn es der Zufall so will, stößt man auf die eine oder andere interessante Geschichte, die dann auch gelesen wird. Mit diesem Wissen über das Nutzerverhalten lässt es sich leichter Communitys managen.

Wird Facebook dann überhaupt weniger interessant für Medien, wenn Gute-Laune-Posts vorgereiht werden?

Das mit der guten Laune ist so eine Sache: Wenn ich über Jahre hinweg eine Community aufgebaut habe, die sich nur gute Laune erwartet und die ich damit auch gefüttert habe, werden auch nur Gute-Laune-Postings funktionieren. Beim STANDARD merken wir schon, dass die Userinnen und User von uns auch ernste Geschichten erwarten und diese werden auch viel gelesen. Nichtsdestotrotz braucht es eine gute Mischung aus Unterhaltung und Komplexität, um eine attraktive Community zu betreiben. Es ist also jahrelange Beziehungsarbeit, die den Algorithmus beeinflusst und nicht unbedingt die Art des Inhalts. Dass aber Entertainment oft schneller und billiger produziert werden kann, als ein wirklich relevanter Artikel, liegt auch auf der Hand. Facebook hält den Medien somit den Spiegel vor und zeigt ihnen, wie relevant sie für ihre Community wirklich sind. Das kann eine bittere Erkenntnis sein.

Erreicht man dort überhaupt noch sein Zielpublikum?

Natürlich. Wie gesagt hängt das von der Community ab, die man bereits hat. Handelt es sich um einen Haufen illoyaler Userinnen und User, die keinerlei Erwartung an das Medium haben und auch keine Bindung dazu entwickelt haben, wird es schwer sein. Gutes Communitymanagement und gezielt eingesetzte Werbebudgets sind aber immer noch äußerst effektiv. Wie lange das noch so bleiben wird, kann keiner vorhersagen.

Wie gehen Sie persönlich damit um? Inwiefern sind Posts mit Verlinkungen zu Mediensites benachteiligt/nachgereiht?

Es gilt ständig, die eigene Strategie zu hinterfragen und bei Bedarf zu adaptieren. Wenn das Medium nicht breit aufgestellt ist, was die Traffic-Quellen betrifft, dann sollte man das schleunigst ändern.

Wie gehen Sie andererseits mit der Kritik beispielsweise von Markus Breitenecker bei der Journalisten-des-Jahres-Verleihung um, dass wir Journalisten Facebook derart viel an Arbeitszeit und Kreativität schenken? Warum tun wir dies, warum tun Sie dies?

Das ist eine gute Frage: Wir tun dies, weil wir wissen, dass wir ohne unsere Kundinnen und Kunden – also die Community an Leserinnen und Lesern, an Posterinnen und Postern, nicht DER STANDARD wären. Für uns ist die Community-Arbeit der USP, also ein Alleinstellungsmerkmal. Der intensive Austausch mit den Userinnen und Usern auf allen relevanten Plattformen wird für uns immer eine wichtige Rolle spielen, denn dieser macht den STANDARD wesentlich aus. Ob das aber jetzt auf Facebook passiert oder vielleicht per Whatsapp oder im Forum direkt auf der Website, ist für das Community Management nicht die wichtigste Frage. Für Medien ist die Investition in Community-Arbeit auf externen Plattformen eine Kosten-Nutzen-Rechnung, die es stetig zu überprüfen gilt. Das bedeutet also auch, dass mal weniger Arbeitszeit für Facebook da sein kann.

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  • February 27, 2018

Derzeit wissen wir noch nicht, ob Facebooks Plan, im Newsfeed mehr Posts von Freunden und Familie und weniger von Marken anzuzeigen, sich als Fluch erweisen wird. Segen ist es auf den ersten Blick keiner, weil die meisten Medien ja mit Pages, also Seiten arbeiten.

Dass wir aber je nach Zuruf der Plattform auf Änderungen reagieren müssen, sind wir Social Media Manager schon seit Jahren gewohnt. Mal heißt es, Fotos werden bevorzugt, mal sind es Videos, ein anderes Mal boomen Events. Aus all diesen Hypes und Trends ging bis dato aber immer noch eines hervor: Wenn der Inhalt interessant genug ist, ist das Format des Postings Nebensache. Feinjustierungen und eine gute Strategie sind natürlich dennoch kein Fehler: Die gute Videostrategie der „Zeit im Bild“ auf Facebook oder konstantes Community Management bei DER STANDARD  haben sich als dienlich erwiesen.

Was nun bevorstehen soll, klingt nach einer neuen Dimension: Dieser Einschnitt könnte ein großer sein und für manche, vor allem kleinere Medien, die einen Großteil ihres Traffics über Facebook bekommen, ein Riesenproblem darstellen. Beispiele aus Experimentierländern des neuen Newsfeeds zeigen, dass gar Fake News weitere Verbreitung gefunden haben als jene von traditionellen Medien, da der Algorithmus noch einmal mehr Interaktion begünstigt.

Interaktion wird wohl der wichtigste Faktor sein, das lässt sich auch aus diesem Statement von Facebooks Newsfeed-Chef Adam Mosseri herauslesen, der meint, dass die Veränderung kein Fluch für Medien bedeuten wird. Das kann man unterschiedlich auslegen, da ja emotionalisierende Headlines von Boulevardmedien leichter Engagement triggern als nüchterne Schlagzeilen von Qualitätsmedien.

Für Medien ist es wichtig, sich auf breite Beine zu stellen und in Sachen Social Media nicht zu sehr nur auf Facebook allein zu setzen. Alles andere wird man sehen, es kann sein, dass die Änderung im Newsfeed sich in ein paar Monaten wieder zugunsten von Medien auswirken wird. In der Zwischenzeit hilft es, Arbeit in die Userbindung zu investieren, relevanten Content für die User zu bieten und die Zahlen kritisch zu beobachten.

Link: Radiobeitrag von Deutschlandfunk Nova mit unterschiedlichsten Statements zum Thema, inklusive meinem obigen. 

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  • January 18, 2018

Der Text ist ursprünglich bei derStandard.at erschienen.

Seit die “New York Times” ihre Social-Media-Guidelines präzisiert hat, wird auch in Österreich immer wieder nach strengeren Regeln für Journalistinnen und Journalisten gerufen. Nach einigen Jahren des aktiven Postens ist vielen Unternehmen, nicht nur Medienunternehmen, der Umgang ihrer Mitarbeiter mit ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit aus den Händen geglitten. Oder, besser gesagt: In letzter Zeit realisieren sie diesen Kontrollverlust, den es seit der Existenz von Social Media gibt. Wo vor ein paar Jahren noch alle Journalisten ermutigt wurden, Twitter und Facebook zu nutzen, fürchtet sich jetzt so manche Chefetage davor, dass es zu viel verwendet wird – weil es eben oft zum Nachteil der Unternehmen ist.

Was also tun bei Arbeitnehmern, die während ihrer Arbeitszeit exzessiv twittern, bei Breaking News Situationen zuerst auf Facebook posten anstatt die Redaktion zu informieren oder die ihre private Teilnahme bei Demos posten und somit ihre politische Einstellung öffentlich teilen? Gar nicht zu sprechen von jenen, die rüpelhaft andere beschimpfen oder gar bedrohen.

Es gibt längst klare Regeln

Die erste Reaktion bei vielen Unternehmen ist: “Wir brauchen strenge Regeln und eine Arbeitsgruppe.” Das ist nachvollziehbar, aber aus meiner Sicht vergeudete Zeit. Denn diese Regeln gibt es längst, sie sind generell bekannt unter “journalistischer Ethos”: Kein Medienmensch würde denken, dass oben genannte Faux-Pas zum Beispiel auf Podiumsdiskussionen oder im Kommentar des eigenen Mediums passend wären. Und jeder – zumindest bei Qualitätsmedien – weiß, dass Objektivität in Berichten wichtig ist und Kommentare klar gekennzeichnet sein müssen. Und trotzdem liest man ständig Postings in sozialen Netzwerken, bei denen man eigentlich nur den Kopf schütteln kann.

Die schönste Guideline wird das nicht lösen

Aber auch die am besten formulierten Regeln werden das Problem nicht beseitigen. Gerade beim STANDARD setzen wir immer schon auf Eigenverantwortung und darauf, dass alle Kolleginnen und Kollegen intelligent und vernünftig sind. Alle Journalisten könnten theoretisch jederzeit die komplette Seite 1 umbauen und zum Beispiel ihren eigenen Artikel zum Aufmacher machen. Das tun sie aber nicht, oder eben nur, wenn es sinnvoll ist. Meistens werden soziale Netzwerke ja auch vernünftig bedient.

Dialog über jeden einzelnen Fall

Eine klare Bedienungsanleitung gegen Social-Media-Fails gibt es aber nicht, und das ist genau der Punkt. Die Problemstellungen sind so wie die Pralinenschachtel bei “Forrest Gump”: Man weiß nie, was man kriegt. Und je nachdem gilt es, den Dialog zu suchen. Im Idealfall muss tatsächlich einzeln über problematische Posts gesprochen werden und Bewusstsein darüber geschaffen werden, was okay ist und was nicht. Denn ein in irgendeinem Ordner abgelegtes Guideline-File liest niemand. Und wenn, ist das beim nächsten Twitter-Eklat wieder vergessen. In Extremfällen stößt man auf totale Uneinsichtigkeit und an die Dialoggrenzen. Dann wird es richtig problematisch. Aber das ist eine andere Geschichte.

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