April 2013

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf derStandard.at.

DJs genießen den Ruf, einer besonders coolen Tätigkeit nachzugehen. Doch die Realität sieht oft ganz anders aus

Der DJ, das bewunderte Wesen. Er spielt Tracks, die ihm gefallen, und das Publikum liebt ihn dafür. Mit ein wenig Übung mausert man sich recht schnell zum gefragten Act – die Belohnung sind dann riesige Gagen und ewiger Ruhm. Für eine handvoll DJs weltweit – Stichwort David Guetta, Tiesto, Armin van Buuren oder Deadmau5 – mag das so funktionieren (derStandard.at berichtete über ihre absurd hohen Gagen), für das “DJ-Fußvolk” ist das Dasein als Selektor und Entertainer aber ein viel härteres als man glauben mag.

Zwischen Hobby und Beruf

“In Österreich können geschätzt zehn Prozent der DJs vom Auflegen leben”, meint Laminat, seit rund zehn Jahren selbst DJ und Produzent in Wien. Dabei sind aber bekannte Artists wie etwa Kruder und Dorfmeister bereits ausgenommen. Weil die Gagen oft so gering sind, schlagen sich die meisten gezwungenermaßen irgendwie durch und haben einen oder mehrere Brotjobs um ihr Leben finanzieren zu können. “Um es auch international zu schaffen, muss man auch selbst Tracks produzieren, nur viel aufzulegen ist da zu wenig”, so der Wiener. Der Rest legt schon mal eine Nachtschicht ein, und das für eine Gage von circa 50 bis 250 Euro.

Die alles andere als gesundheitsförderlichen Bedingungen kennt jeder, der schon einmal um die Häuser gezogen ist: verrauchte Luft trotz Rauchverbots, Lautstärken, die so manchen HNO-Arzt erschaudern lassen, nerviges Publikum, das sich Songs wünscht, die man nicht spielen will. Dazu kommen immer wieder Veranstalter, die sich nicht an Abmachungen halten wollen.

Preisdumping durch Konkurrenz und Veranstalter

“Es ist schon ein Wahnsinn, wie manche Clubbesitzer einen über den Tisch ziehen wollen”, schildert Sophia Hoffmann, DJ, Journalistin und Köchin. Die Österreicherin lebt mittlerweile in Berlin, wo sie in Sachen Konkurrenzkampf und Gagen noch schlimmere Bedingungen herrschen als hierzulande: “DJs gibt es wie Sand am Meer, und einige sind sogar froh, wenn sie gratis spielen können, weil sie meinen, dass ihnen das etwas bringt. Man ist einfach austauschbar und sogar in Clubs, wo man öfter spielt, und man glaubt, eine Heimat gefunden zu haben, kann es sein, dass man von einen Tag auf den anderen nicht mehr gebucht wird, weil es Nachwuchs gibt, der es noch billiger macht.”

Die Veranstalter profitieren davon, dass sich die DJs untereinander die Preise zerstören. Bisweilen kommt es auch vor, dass trotz vorab fixierter Gagen dann doch nicht gezahlt wird. “Ungefähr alle zwei Jahre kommen ein paar neue Artists, die quasi gratis auflegen. Am Anfang kann das ja recht nett sein, aber nach ein paar Jahren merkt man, dass sie entweder wieder verschwinden oder bei dem Spiel nicht mehr mitmachen und auch adäquate Gagen verlangen”, bestätigt Laminat. 150 Euro für drei Stunden Spaß an der Musik klingen für Außenstehende vielleicht ganz gut, die wenigsten denken aber an das Rundherum. Wenn man Steuern, Taxigeld, Anreisezeit, die Vorbereitungszeit für einen Auftritt und die zahlreichen Stunden, die man im Club vor und nach dem Auftritt anwesend sein muss, mitzählt, schrumpft der Stundenlohn recht schnell. So ganz nebenbei soll der Künstler dann auch noch über seine Netzwerke die Veranstaltung bewerben und vielleicht noch am Flyer mitbasteln – Aufgaben, die seinerzeit ganz klar und ausschließlich beim Veranstalter lagen.

Keine Rechtssicherheit

Um also vom Auflegen leben zu können, brauchen DJs viele Bookings. Falls diese bei genug Ambitionen und Verbindungen möglich sind, stehen sie meist vor dem nächsten Problem: Zwar hat schon fast jede mittelgroße Bar regelmäßig jemanden dort, der Musik auflegt, die wenigsten schließen jedoch Verträge ab. Krankenstände werden somit etwa schnell zum Problem: “Einmal hab’ ich mich mit 38 Grad Fieber in den Club geschleppt, um dann vor circa 300 Leuten mit Schweißausbrüchen und zitternden Händen mein Set runterzuspielen. Dann gab’s 70 Euro. Der Veranstalter war an dem Abend nicht mal da. 43 Euro sind fürs Taxi draufgegangen, weil ich, krank wie ich war, natürlich hin- und retour gefahren bin. Da hab ich mich gefragt: Wozu mach’ ich das eigentlich?” schreibt uns ein Wiener Artist, der anonym bleiben möchte, per Mail.

Zu wenig Verständnis seitens Veranstaltern und Publikum

Dass DJs oft nur als Dekoration gesehen werden, die eben in eine moderne Bar gehören, merken die Acts oft auch am Zustand des technischen Equipments vor Ort. Funky P, Resident DJ für das Message Magazin, der mit seiner Crew Frisch Saftig Stylisch bevorzugt Hip Hop und Funk auflegt, muss für andere Gigs oft neben den ohnehin schon schweren Platten sein eigenes Mischpult mitnehmen: “Den Veranstaltern fehlt oft das Verständnis dafür, was wir machen. Wir kommen manchmal in Bars, wo alte Technik vor Ort ist, mit der man zum Beispiel nicht einmal scratchen kann. Also können wir dort eigentlich unseren Job gar nicht machen. Das ist schon hart.” In kleineren Locations müssen sich außerdem ein bis zwei DJs die ganze Nachtschicht aufteilen, was sehr an die Substanz gehen kann. Die Gage ist dadurch nicht größer.

Was die künstlerische Selbstverwirklichung bei DJs angeht, gibt es verschiedene Universen: Wo in größeren Clubs die meisten das Glück haben, ihr Programm selbst zu gestalten, mutiert der DJ in Bars und Restaurants oft zur menschlichen Juke-Box, die Wünsche erfüllen muss. Zum Problem wird das nur, wenn die Erwartungshaltung zwischen Publikum und DJ auseinandergehen: “Es kann schon vorkommen, dass die Leute sich Tracks wünschen, die ich nur mit schwerer Überwindung spielen kann. Gerade im Hip Hop liegen Welten zwischen Underground und Mainstream. Das kann schon sehr mühsam sein, ist aber oft Teil des Jobs”, erzählt Funky P. Wenn dann auch der Rest wie Gage oder Technik nicht passt, kann so eine Auflegenacht von der erwarteten lässigen Party zur mehr als mühsamen Arbeit werden.

Nicht nur Jammern

Dass so viele sich dennoch das DJing “antun”, liegt einfach daran, dass der DJ in den meisten Fällen für die Musik brennt und seine Lieblingstracks mit dem Publikum teilen will. “In vielen Fällen sind das ja auch positive Erlebnisse, die man an so einem Abend hat”, sagt Sophia Hoffmann, die unter ihrem Künstlernamen Tigeress DJ weiß, wie man feiert. Die Grenze zur Selbstausbeutung wird wie in vielen Kreativberufen dementsprechend häufig überschritten. (Lisa Stadler, derStandard.at, 18.4.2013)

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  • April 19, 2013

Heute durfte ich einen Abstecher auf die WU machen und einen Gastvortrag zum Thema Social Media und Start-Ups halten. Es war mir eine Ehre und ich hoffe, ich wurde auch verstanden – ich musste das erste Mal auf Englisch vortragen ;-).

Bildschirmfoto 2013-04-19 um 12.34.34Hier noch ein unterhaltsames Video, das ich auch heute als best practice Beispiel hergezeigt habe, thx to Andrew Cracknell:

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  • April 19, 2013
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Dieser Artikel erschien ursprünglich auf derStandard.at.

Der amerikanische Markt entdeckt die elektronische Musik. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Clubs und Festivals in Europa

Ricardo Urgell, Betreiber des wohl berühmtesten Clubs Europas, des Pacha in Ibiza, hat es vor einiger Zeit gereicht: Weil die DJs immer höhere Gagen verlangten, kündigte er kurzerhand seinen Programmchef und verlängerte die Verträge einiger Superstars einfach nicht mehr. Die Folge war eine Grundsatzdiskussion über die hohen Gagen mancher Größen der elektronischen Musik, zuletzt berichtete auch die “New York Times” ausführlich über die Probleme auf Ibiza.

Amerika ist “schuld”

Wie kam es überhaupt dazu, dass ein DJ wie David Guetta für einen Auftritt zuweilen 250.000 Euro Gage bekommt und Forderungen von 50.000 Euro auch von mittelbekannten Artists keinen Veranstalter mehr überraschen? “Diese Entwicklung hat hauptsächlich in den letzten zwei Jahren ihren Lauf genommen, und das liegt daran, dass Amerika jetzt elektronische Musik für sich entdeckt”, sagt Stefan Auer, seit Jahrzehnten als Veranstalter in Graz tätig und Organisator des Springfestivals.

Jahrzehntelang galt Europa als Heimat und Brennpunkt elektronischer Musik: Hier wurden DJs in Clubs gefeiert, die unbekannte Tracks auflegten, noch lange bevor das irgendjemanden in den USA interessierte. Nicht zuletzt wegen Änderungen der Rechtssituation für US-Radiosender bekamen in letzter Zeit auch in den USA vermehrt europäische und in der Folge amerikanische Elektronik-Artists Airtime. Und das Publikum sprang auf den Zug auf.

Las Vegas ist das neue Ibiza

Binnen weniger Monate entstanden in den USA nach europäischem Vorbild riesige Festivals, die die DJs abfeierten. Tiësto, einer der weltweit am besten verdienenden DJs, macht nun erstmals seit Jahren keinen Stopp mehr in Ibiza. Ihn zieht es nach Las Vegas, das als neues Ibiza gehandelt wird. “Man merkt, dass dort Entertainment noch etwas wert ist.”, sagt Christian Lakatos, Organisator des Urban Art Forms Festivals, der gerade aus Las Vegas zurückgekehrt ist. “Ticketpreise von bis zu 150 Dollar schrecken dort niemanden ab. Hier jammern alle schon bei 15 Euro Eintritt.” Das liege daran, dass dort eine andere Entertainment Kultur herrsche, wo man es gewohnt sei zum Beispiel auch für College Football Games Eintritt zu zahlen. In den USA habe die Entertainment Kultur einen anderen Stellenwert und die Leute seien es gewohnt, hohe Eintrittspreise zu zahlen, meint Lakatos weiter.

Spektakel statt Musik

Riesige Clubs nehmen in Las Vegas große DJ-Namen unter Vertrag, das Penthouse für die Artists befindet sich gleich ein paar Stockwerke über dem Club, und die Gagen sind so hoch, dass selbst hartgesottenen Brancheninsidern schwindlig wird. Künstler wie Deadmau5 entscheiden sich dementsprechend wenig überraschend dafür, mehr Gigs in den USA zu spielen. “In Las Vegas sind die DJs die neuen Varieté-Shows, wenn man so will. Das ist nur mehr Jahrmarkt, Spektakel, Zirkus, da geht es gar nicht mehr um die Musik. Liveauftritte werden für die Künstler außerdem immer wichtiger, weil immer weniger Musik gekauft wird”, bestätigt Stefan Auer.

Blase kurz vor dem Platzen

Der Maßlosigkeit, die durch Angebot und Nachfrage ermöglicht wird, sind jedoch laut Szenekennern Grenzen gesetzt. Philipp Straub, Chef der Künstleragentur Titan, der Artists wie Paul Kalkbrenner und Carl Cox nach Österreich bringt, glaubt, dass das Systems nicht mehr lange rentabel sein wird: “Eine ähnliche Situation hatten wir schon von 2000 bis circa 2003, als die Blase geplatzt ist. Jetzt steuern wir wieder darauf zu, aktuell befinden sich die Gagen sicher am Zenit.”

Solange es sich für Veranstalter und Artists rentiere, werde das Spiel noch weitergehen, meint Straub. “Aktuell sehe ich zwei Trends: Große Festivals mit dementsprechend großen Namen und hohen Ticketpreisen auf der einen Seite – und auf der anderen die florierende Clubszene im Niedrigpreissegment, die die Szene gesund hält. Große Shows mit nur einem Artist sind eher wieder am Verschwinden.”

Konkurrenzkampf in Österreich

Kurz vor Beginn der heimischen Festivalsaison machen sich die Entwicklungen auch in Österreich bemerkbar. “Wir müssen jetzt viel mehr um internationale DJs kämpfen als früher, weil viele verständlicherweise nur mehr in den USA spielen wollen”, sagt Christian Lakatos. Dennoch mache man ab einem gewissen Punkt einfach nicht mehr mit, sind sich Lakatos und Auer einig: “Ab einer gewissen Grenze spielt der Act dann einfach nicht bei uns.”

Von dem Konkurrenzkampf zwischen den österreichischen Festivals profitieren vor allem die Artists, meint Lakatos: “Es gibt immer wieder den Fall, dass man von jemand anderem überboten wird. Gerade in den letzten Jahren werden manchmal absurd hohe Gagen geboten, und der besagte Act spielt dann plötzlich woanders.” Das wiederum treibt für die BesucherInnen die Ticketpreise in die Höhe. (Lisa Stadler, derStandard.at, 11.4.2013)

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  • April 15, 2013